Selbstwert und Zufriedenheit

Tugenden für das 21. Jahrhundert

 

 

Wer kennt nicht das Gefühl, man könne mit seinem Leben trotz Abwesenheit existenzieller Ängste nicht zufrieden sein? Wir haben ein Dach über dem Kopf, sind körperlich gesund und doch fehlt etwas, etwas, das nicht unmittelbar etwas mit Geld zu tun hat. Unsere Lebensqualität wird wesentlich beeinträchtigt, in der Regel ohne dass wir sagen können, was das störende Element ist, der Fremdkörper, der an unserer Seele nagt. Ich will in diesem Artikel darlegen, was den Menschen in der modernen Industriegesellschaft m.E. krank macht und wie dem abzuhelfen ist. Das Trio der Unzufriedenheit ist das Gefühl, nicht die Freiheit zu besitzen, die man für nötig erachtet, das Gefühl nichts wesentliches bewegen zu können und – das Gefühl der Vereinzelung. Als ich mich in einer schwierigen Phase meines Lebens krank fühlte, waren das auf jeden Fall die Probleme, die ich für mein Unglück als verantwortliche Faktoren ausmachen konnte und ich denke, hier kein Einzelfall zu sein. Ich möchte Sie einladen, mit mir gemeinsam zu erforschen, was notwendig ist, um ein zufriedenes Leben zu führen und glücklich zu sein. Mir ist trotz der Schwierigkeiten, die das moderne Leben uns bereitet, glücklich zu sein, nicht der Glaube abhanden gekommen, dass das für einige wenige von uns tatsächlich möglich ist. Möglich, wenn ganz bestimmte Grundsätze verstanden und angewendet werden, die ich den Lesern als Vorschlag unterbreite.

 

 

Das Trio der Zufriedenheit

 

Wenn das Trio der Unzufriedenheit tatsächlich das Gefühl ist, nicht ausreichend Freiheiten zu besitzen, nichts wesentliches bewegen zu können und trotz körperlicher Anwesenheit anderer Menschen alleine zu sein, dann muss das Trio der Zufriedenheit in dem genauen Gegenteil bestehen: dem Gefühl der Autonomie, der Wirksamkeit und der Austausch mit anderen. Mit den Begriffen Selbstbestimmung, Effektivität und Gemeinschaft will ich die drei Phänomene auf den Punkt bringen. Selbstbestimmung, Effektivität und Gemeinschaft sind die drei Pfeiler auf denen das Gefühl der Zufriedenheit ruht. Es sind bedeutende, fundamentale Werte, die zu erreichen den Einsatz ganz bestimmter Tugenden erforderlich macht. Tugenden sind Praktiken, deren gewohnheitsmäßige Ausübung zur Erzeilung eines Werts beitragen. Wenn das Ziel ein generalisiertes Gefühl der Zufriedenheit ist, sind Selbstbestimmung, Effektivität und Gemeinschaft in diesem Zusammenhang – so behaupte ich – funktional.

 

 

 

Selbstbestimmung

Effektivität

Gemeinschaft

Zielgerichtetheit

Eigenverantwortlichkeit

Wohlwollen

Rationalität

Beharrlichkeit

Geselligkeit

Selbstsucht

Selbstsicherheit

Selbstausdruck

 

Selbstbestimmung

 

Selbstbestimmung ist die Freiheit von externen Einflüssen, die auf andere Personen oder unsere eigenen irrationalen Gefühle zurückgehen können. Selbstbestimmt sind wir, wenn wir wissen was wir wollen, nur auf unsere eigene Ratio hören und uns von den Interessen anderer frei machen. Doch das ist nicht alles. Selbstbestimmung hat unmittelbar mit dem zu tun, was wir als unsere Identität betrachten, als unser wahres Ich, denn Selbstbestimmung eröffnet uns den Weg zum Selbstsein. Fremdbestimmtheit macht etwas aus uns, was wir nicht wirklich sind, weil in Wahrheit nicht wir unsere Handlungen gewählt haben, sondern ein außerhalb von uns selbst liegender Faktor. Eine Handlung die wir unter Fremdbestimmung ausgeführt haben, haben wir weder richtig verstanden noch gutgehießen. Sie kann uns demzufolge nicht definieren, nicht bestimmen, wer wir wirklich sind. Selbstbestimmung hat also auch etwas mit Verstehen und der Abwesenheit von Zwang zu tun.

 

Die drei Kerntugenden der Selbstbestimmung sind Zielgerichtetheit, Rationalität und Selbstsucht.

 

Die Tugend der Zielgerichtetheit bedeutet, alles Handeln im Leben an klaren, selbst gewählten Zielen auszurichten, die man durch einen bewussten Prozess des Nachdenkens identifiziert hat. Wenn Sie nicht zielgerichtet sind, sind sie orientierungslos wie ein Flugzeug ohne Pilot. Das Ergebnis eines solchen Vorgehens, konsequent betrieben, kann nur ein Desaster sein. Zielgerichtetheit heißt auch, nicht nur eine weitreichende Vision von dem zu besitzen, was man werden will, sondern auch, sich der konkreten Schritte im klaren zu sein, die dazu führen. Um das zu bekommen, was Sie sich von Leben wünschen, benötigen Sie einen möglichst detaillierten Aktionsplan, von dessen Befolgung Sie sich selbst regelmäßig überzeugen.

 

Die zweite Tugend ist Rationalität. Rationalität ist die Anerkennung und Berücksichtigung der Tatsache, dass die eigene Vernunftfähigkeit letztlich die einzige Wissensquelle ist und sich alles Handeln nach ihr richten muss. Logik, Objektivität und Konsistenz haben in einer rationalen Person einen höheren Stellenwert als Emotionen, Launen und Phantasien. Wenn Sie auch die Irrationalität anderer in Betracht ziehen müssen, darf es niemals dazu kommen, sich davon selbst beeinflussen zu lassen. Ihre eigene Vernunftfähigkeit ist es (wie ausgeprägt diese auch immer sein mag) die Ihr wichtigstes Instrument des Überlebens ist. Selbst von der Vernunft anderer zu profitieren, erfordert die eigene Vernunftfähigkeit. Sie kommen also nicht umhin, selber zu denken. Rationalität, die Praktik, ihrem eigenen logischen, schlussfolgernden Verstand zu folgen, unterscheidet den Menschen vom Tier.

 

Selbstsucht ist die dritte Tugend der Selbstbestimmung. Selbstsucht als Tugend darzustellen, mag provokant wirken, weil damit traditionellerweise eine anderen schadende Einstellung verbunden wird. Zunächst bedeutet Selbstsucht aber nur, dass der eigene Vorteil Vorrang vor fremden Interessen hat. Damit ist noch keinesfalls gesagt, was das für ein Vorteil ist, noch inwiefern, wenn überhaupt, fremde Interessen missachtet werden. Sie sagt uns also nicht, welche Handlungen man unternehmen soll, sondern nur, wer davon profitieren soll: man selbst. Wenn Sie im rationalen Sinne selbstsüchtig sind, werden Sie nur Ihre wahren, d.h. weitreichend integrierten Interessen verfolgen, die in der Regel nicht durch asoziales Verhalten realisiert werden können. Selbstsüchtig zu sein heißt den Mut aufzubringen, sich ausschließlich auf die eigenen weitreichend integrierten Interessen zu konzentrieren.

 

 

 

Selbstbestimmung

Effektivität

Gemeinschaft

Zielgerichtetheit

Eigenverantwortlichkeit

Wohlwollen

Rationalität

Beharrlichkeit

Geselligkeit

Selbstsucht

Selbstsicherheit

Selbstausdruck

 

Persönliche Effektivität

 

Nachdem wir unsere im rationalen Eigeninteresse liegenden Ziele und damit unser wahres Selbst bestimmt haben, wollen wir auch ihm entsprechend wirksam handeln können. Dies erfordert ganz bestimmte abstrakte Handlungsorientierungen, die bei jeder Aufgabe, die in unserem Leben von Bedeutung ist, unumgänglich sind. Wenn wir diese Tugenden zu einem festen Bestandteil unseres Charakters gemacht haben, erwächst daraus das Gefühl der Effektivität, das Vertrauen darin, innerhalb unseres Kompetenzbereichs auch unvorhergesehene Schwierigkeiten meistern zu können.

 

Die drei Kerntugenden der persönlichen Effektivität sind Eigenverantwortlichkeit, Beharrlichkeit und Selbstsicherheit.

 

Zunächst einmal ist festzustellen, dass die Verantwortung für unser Handeln, sofern dieses frei von Fremdbestimmung ist, ganz bei uns liegt. Eigenverantwortlichkeit ist die Anerkennung der Notwendigkeit, dafür sorge tragen zu müssen, dass man die in bezug auf seine Ziele richtigen Handlungsweisen selbst vornimmt, ohne dabei auf die Hilfe von außen zu hoffen. Ohne ein starkes Gefühl der Eigenverantwortlichkeit wird nichts geschehen, was wirklich geschehen soll. Die Essenz der Eigenverantwortlichkeit ist, sich selbst zu der Ursache der Wirkungen zu machen, die man haben will.

 

Die zweite Tugend der Selbstwirksamkeit ist Beharrlichkeit. Wenn Sie ihre Verantwortung das Richtige selbst zu tun übernommen haben, benötigen Sie u.U. eine gewisse Widerstandskraft gegenüber eigenen Gefühlen oder Regungen, die sich wider besseren Wissens der erfolgreichen Durchführung ihrer Absichten entgegenstellen. Beharrlichkeit ist die innere Stärke, ihre Ziele mit Entschlossenheit und Geduld zu verfolgen.

 

Die dritte allgemeine Handlungsorientierung ist Selbstsicherheit. Selbstsicherheit brauchen Sie, um im sozialen Kontext selbstwirksam sein zu können. Sie bedeutet, seinen eigenen Bedürfnissen und Interessen gegenüber anderen Menschen ohne Nachgiebigkeit mit Bestimmtheit Geltung zu verschaffen. Praktizierte Selbstsicherheit bedeutet, man selbst zu sein, weil man sich damit der Fremdbestimmung durch eigene Unsicherheiten oder die Gefühlen anderer wirkungsvoll entzieht. Ein selbstsicherer Mensch zeigt sich anderen so wie er wirklich ist und ist somit authentisch. Neben Eigenverantwortlichkeit und Beharrlichkeit ist Selbstsicherheit die Vorbedingung dafür, im Leben das zu bekommen, was sie wollen.

 

 

 

Selbstbestimmung

Effektivität

Gemeinschaft

Zielgerichtetheit

Eigenverantwortlichkeit

Wohlwollen

Rationalität

Beharrlichkeit

Geselligkeit

Selbstsucht

Selbstsicherheit

Selbstausdruck

 

Gemeinschaft

 

Für den Menschen als zoon politikon gibt es wenig schlimmeres als die soziale Isolation. Als Menschen blühen wir erst auf, wenn wir zusammen mit anderen in der Gruppe an der Verwirklichung gemeinsam geteilter Ideale wirken. Die Gemeinschaft mit anderen ist somit ein wichtiger Wert. Um ihn zu erreichen, sind neben der physischen Präsenz auch bestimmte Handlungsweisen notwendig, ohne die das Zusammensein nur in gegenseitiger Entfremdung möglich ist.

 

Die drei Kerntugenden der Gemeinschaft sind Wohlwollen, Geselligkeit und Selbstausdruck.

 

Wohlwollen ist die Tugend, andere Menschen als potentielle Handels- oder Tauschpartner zu behandeln, indem man in seinem Verhalten proaktiv eine Gesinnung offenbart, die weder ihr Unwohlsein noch irgendeine andere Störung ihres körperlichen oder seelischen Zustands akzeptiert. Wohlwollen beinhaltet Verhaltensweisen wie Feingefühl, Höflichkeit und Großzügigkeit. Es ermöglicht ein nicht-neurotisches Gemeinschaftsgefühl und ist eine angemessene Basis für die langfristige Zusammenarbeit in der Gruppe. Wohlwollen schließt Gerechtigkeit, das Vergelten von Gleichem mit Gleichem auch im negativem Falle, nicht aus.

 

Geselligkeit bedeutet, sich gerne rein körperlich in die Nähe anderer Menschen zu begeben und mit ihnen gesellschaftlichen Umgang zu pflegen. Dazu gehört, dass eine Kommunikation, ein (regelmäßiger) Austausch zwischen den Mitgliedern stattfindet. Die Geselligkeit ihrer Mitglieder ist die Grundlage jeder Gemeinschaft, ob privater Freundeskreis, professionelles Team oder Familie.

 

Die Tugend des Selbstausdrucks ist notwendig, um zu zeigen, wer wir sind und wofür wir stehen. Unser Selbst offenbaren wir anderen, indem wir unseren Gefühlen, Empfindungen und objektiven Werten angemessen im körperlichen Verhalten und Sprechen Ausdruck verleihen. Selbstausdruck ist ein wichtiger Bestandteil der Kommunikation und der Einflussnahme.

 

Alexander Fürstenberg

 

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